Im Herbst 2016 kam es in der Staumauer Punt dal Gall der Engadiner Kraftwerke zu einem Umweltunfall. Im Rahmen von Sanierungsarbeiten durch eine externe Firma gelangten PCB-haltige Korrosionsanstriche in den Fluss Spöl. Nach langen Verhandlungen kann 2026 endlich mit der Sanierung begonnen werden.

Ruedi Haller war damals als Leiter des Bereichs Forschung und Geoinformation beim Schweizerischen Nationalpark (SNP) von Anfang an stark in die Aufarbeitung involviert. Wir stehen am Spöl an der Mündung des Seitenbaches aus der Val da l’Acqua. Dessen Sedimente haben in den letzten Jahren das Flussbett des Spöls aufgefüllt und einen neuen See aufgestaut.

Wie ist die mittlerweile 9 Jahre andauernde Diskussion um die Sanierung der PCB-Verseuchung im Spöl verlaufen?

Die Situation war lange festgefahren. Es wurde primär juristisch argumentiert und eine rasche Lösung war nicht in Sicht. So war der Fortschritt in den ersten 4 Jahren sehr bescheiden, mit Ausnahme der Sanierung des Tosbeckens. Es ging um die Machbarkeit einer Sanierung, die Kosten und um Schuldfragen. Es gab auch SNP-intern Diskussionen, ob es sich lohne, die PCB aus dem Spöl zu entfernen. Für mich war es nie eine Option, sie im Spöl zu belassen. Wenn man bedenkt, dass sie dann über Jahrzehnte und gar Jahrhunderte verschleppt, verteilt und von Organismen aufgenommen würden, ist das keine gute Perspektive. Ich möchte nicht dafür verantwortlich sein, dass künftige Generationen sich mit diesen Giftstoffen aus der Vergangenheit beschäftigen müssen. Ausserdem würden sie über Jahrzehnte die Lebenswelt des Nationalparks negativ beeinflussen. Ein mechanischer Eingriff, wie er nun geplant ist, stellt eine deutlich geringere Belastung dar als Chemikalien, die hochgiftig und praktisch nicht abbaubar sind.

Ist es verhältnismässig, wegen der PCB-Belastung den ganzen Fluss auszubaggern?

Es gibt immer wieder Leute, die das infrage stellen. Lohnt sich ein solcher Eingriff wegen 1 oder 2 kg PCB? Meine Antwort darauf ist: 1 kg Heu ist auch nicht gleich viel wert wie 1 kg Gold. Es geht nicht um die Menge, sondern um deren Wirkung. Es ist klar, das sind nicht die Bilder, die sich ein Nationalpark wünscht: Bagger entnehmen massenweise Geschiebe aus dem Fluss, das Material wird mit Dumpern flussaufwärts und dann mit Lastwagen in eine Kehrrichtverbrennungsanlage transportiert, wo die PCB-Verbindungen unschädlich gemacht werden. Doch erstens ist der Kanton gesetzlich dazu verpflichtet, für die Sanierung einer dermassen verseuchten Flussstrecke zu sorgen. Und zweitens bin ich überzeugt, dass dies langfristig das kleinere Übel ist als eine chronische Vergiftung.

Was war rückblickend der ausschlaggebende Moment, der eine Sanierung wieder realistischer hat erscheinen lassen?

Nach 4 Jahren Untersuchungen und Diskussionen ohne grosse Fortschritte war für uns alle das entscheidende Ereignis, als ein Parkwächter im Herbst 2020 im Spöltal einen toten Uhu gefunden hat. Die Untersuchung des Tieres durch die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA) hat gezeigt, dass der Uhu enorm hohe pcb-Werte aufwies. Diese lagen etwa 1000-mal höher als durchschnittlich bei einem Menschen. Dieser Fund hat gezeigt, wie dringlich eine Sanierung ist. Der Kanton Graubünden hat dann eine Verfügung erlassen, gegen die aber mehrere Parteien Einsprache erhoben haben.

Wie ist es letztlich zu einer Einigung gekommen?

An einem Runden Tisch ist es gelungen, mit allen Beteiligten einen weiterführenden Vorschlag zur ursprünglichen Verfügung zu entwickeln, der schliesslich auch vom Kanton Graubünden gutgeheissen wurde. Die grosse Herausforderung dabei war, die rechtliche Seite vom Sanierungsbedarf zu trennen. Es ging vor allem darum, einen langen Rechtsstreit zu vermeiden, der eine Sanierung in weite Ferne gerückt hätte. Glücklicherweise ist es gelungen, einen für alle Seiten tragbaren Kompromiss zu finden, unabhängig von der Rechtsprechung.
Das neue Projekt sieht nun vor, dass zuerst die oberen 2,9 km saniert werden. Danach erfolgt eine Überprüfung des untersten Abschnitts beim Lai Praspöl, wo sich Feinsedimente absetzen. Falls die pcb-Konzentrationen dort zu hoch sein sollten, müsste auch dieser Teil saniert werden.

Welche Gefühle löst die anstehende Sanierung aus?

Bei mir dominieren klar positive Gefühle, auch wenn die Sanierung keinen schönen Anblick bieten wird. Doch dieser Eingriff ist vorübergehend. Wenn wir es dadurch schaffen, diese hochgiftigen Stoffe so weit wie möglich aus dem Ökosystem zu entnehmen, dürfen wir zuversichtlich sein, dass es der Lebenswelt im Spöl in Zukunft deutlich besser gehen wird.

Parkdirektor Ruedi Haller im Bachbett Spöl

Parkdirektor Ruedi Haller kennt den Spöl aus eigener Anschauung.

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