Ein Beitrag von Jakob Kalus und Carl-von-Ossietzky
Universität Oldenburg
2. Juli 2024

Wildbienen gelten als wichtigste Bestäuber in Mitteleuropa. Auch für die Biodiversität sind sie von grosser Bedeutung. So zeigt eine neue Studie von Müller und Praz, dass 45% der heimischen Wildbienen in der Schweiz gefährdet oder bereits ausgestorben sind. Ein Schwerpunkt des Vorkommens gefährdeter Wildbienenarten liegt in den inneralpinen Trockenrasen, wie sie unter anderem im Naturpark Biosfera Val Müstair vorkommen. Um diese Bestände wirksam schützen zu können, ist eine Aufnahme des Wildbienenbestands unerlässlich.

Titelbild: Die Gewöhnliche Goldfurchenbiene, Halictus tumulorum (© Jakob Kalus)

Hohe Vielfalt an Wildbienen
Wildbienen sind, anders als ihr Name vielleicht vermuten lässt, keine wilden Honigbienen, sondern eine diverse Gruppe mit schweizweit fast 600 Arten. Sie leben grösstenteils auf sich allein gestellt und bilden keine grossen Völker. Wildbienen bauen Nester, ebenso wie ihre Verwandten, die Honigbienen. Diese Nester finden sich je nach Art in unterschiedlichen Lebensräumen, wie selbst gegrabenen Löchern im Sand, leeren Stängeln, Käferfrassgängen in Totholz oder Felsspalten. Für den Nestbau benötigen Wildbienen je nach Art unterschiedliches Material wie Harz, bestimmte Blätter oder Distelblüten. Auch brauchen sie passende Futterpflanzen, um sich selbst und ihren Nachwuchs ernähren zu können. Damit eine bestimmte Wildbienenart an einem Ort vorkommen kann, muss all dies in einem relativ geringen Radius vorhanden sein.

In meiner Masterarbeit untersuchte ich die im Sommer vorkommenden Wildbienen auf den Trockenrasen der südexponierten Hänge zwischen Sta. Maria und Müstair. Dieses Gebiet, bestehend aus Wiesen, Weiden und lichtem Wald, ist ausserordentlich artenreich und gilt als sogenannter Artenhotspot in der Val Müstair. Neben Wildbienen nahm ich blühende Pflanzen und die Struktur des Bodens auf, um die Lebensraumansprüche der Wildbienen vereinfacht darstellen zu können. In dem von mir untersuchten Gebiet habe ich insgesamt 92 Arten von Wildbienen gefunden, von denen rund 22 % gemäss der roten Liste als gefährdet eingestuft sind. Die tatsächliche Anzahl an Arten wäre im Gebiet jedoch vermutlich deutlich höher, da die Erfassung nur über einen begrenzten Zeitraum stattfand und die Frühlings- und Frühsommerarten nicht berücksichtigt worden sind. Zusätzlich sind Wildbienen recht unstetig, man findet also in aufeinanderfolgenden Jahren mitunter auch unterschiedliche Arten.
Die Arbeit liess keine verallgemeinernden Aussagen zu den Lebensraumansprüchen der Wildbienen zu. Die Unterschiede zwischen den Arteninventaren der einzelnen Untersuchungsflächen waren sehr gross, obwohl sich die Flächen in Bezug auf Lebensraumstruktur und Blühaspekt nur wenig unterschieden. Dies zeigt, dass die Wildbienen spezielle Ansprüche haben, die schwer in Zahlen zu fassen sind.

Weide im Münstertal

Abb.1: Weide Plaun da Sach in der Val Müstair (© Jakob Kalus)

Optimale Lebensräume in der Val Müstair
Die Trockenwiesen und -weiden bei Sta. Maria und Müstair beherbergen eine beeindruckende Vielfalt an Wildbienen, die genauer untersucht werden sollte.
Die momentane Bewirtschaftung des Gebiets, bestehend aus extensiver Beweidung, Entkusselung (Gehölzentfernung zum «offenhalten» der Flächen) und dem Entfernen von Adlerfarn ist optimal, um diese Flächen im Hinblick auf eine hohe Biodiversität von Wildbienen zu erhalten und zu fördern.

Empfohlene Massnahmen zum Naturschutz
Um einen grösseren Anteil des Artenspektrums und die Lebensraumstruktur in der Val Müstair genauer zu erfassen, wäre es sinnvoll, eine weitere Beprobung der Wildbienen über zwei vollständige Vegetationsperioden hinweg durchzuführen und eine funktionale Lebensraumkarte zu erstellen. Zudem sollte der Einfluss von Honigbienen auf den Flächen überwacht werden, da diese nachweislich in Konkurrenz zu Wildbienen stehen und in grosser Zahl in der Val Müstair beobachtet worden sind. Die in der Val Müstair vorhandene Artenvielfalt ist wertvoll und kann erhalten werden, wenn alle Akteure aus Naturschutz, Landwirtschaft und Bevölkerung weiterhin an einem Strang ziehen.

Literatur:

  • Kalus, J. (2023): Die Wildbienen (Hymenoptera: Apiformes) des Val Müstair (Kt. Graubünden) Arteninventar, Habitatansprüche und naturschutzfachliche Bewertung, Masterarbeit, Universität Oldenburg.
  • Müller A., Praz C. (2024): Rote Liste der Bienen. Umwelt-Vollzug. Bundesamt für Umwelt BAFU und info fauna, 78 S.
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