Landschaften unter der Lupe

Mitte Juni haben sich Forschende verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen in Zernez zum «Forschungssymposium SNP+» getroffen. Das diesjährige Symposium widmete sich der alpinen Landschaftsforschung im Schweizerischen Nationalpark, der UNESCO Biosfera Engiadina Val Müstair und dem Regionalen Naturpark Biosfera Val Müstair.

Was macht alpine Landschaften so besonders und einzigartig? Welche gesellschaftliche Bedeutung haben sie? Was befindet sich im Wandel und was bleibt beständig? Über diese und viele weitere Fragen haben Forschende im Nationalparkzentrum in Zernez intensiv nachgedacht, diskutiert und debattiert. Im Fokus des diesjähriges Forschungssymposiums SNP+ stand die Landschaftsforschung sowie die einzigartigen Landschaften der Nationalparkregion. Das Thema «Landschaften unter der Lupe» bot Gelegenheit neueste Erkenntnisse, Methoden, Innovationen sowie inter- und transdisziplinäre Projekte zur Erforschung alpiner Landschaften zu kennenzulernen. In seinem Grusswort erinnerte Markus Stoffel, Präsident der Forschungskommission des Schweizerischen Nationalparks (FOK-SNP), die Forschenden daran, welche Bedeutung der Langfristforschung gerade in Zeiten des Klimawandels zukomme und welch einmaliges Archiv der SNP biete. Er wies auch auf die gesellschaftliche Verantwortung hin, welche die Forschungsgemeinschaft bezüglich der öffentlichen Wahrnehmung von Forschung trage.

Fokus Landschaft
Alpine Landschaften sind nicht nur beeindruckende Naturkulissen, in denen wir Menschen uns gerne in der Freizeit und zur Erholung bewegen, sondern auch komplexe, dynamische Systeme, die durch natürliche Prozesse der Geologie, Hydrologie, Biologie oder Atmosphäre geformt und stetig verändert werden. Auch der Mensch hinterlässt Spuren in alpinen Landschaften, beispielsweise durch deren Nutzung für Land-, Forst- oder Wasserwirtschaft.

Veränderungen in der Landschaft geschehen auf unterschiedlichen Zeit- und Raumskalen und können sehr schnell vonstattengehen. So zum Beispiel durch den Bau von Infrastrukturen wie Staumauern, Strassen oder Gebäuden in Städten. Oder auch durch natürliche Prozesse wie Murgänge, die oft aufgrund starker Niederschläge Landschaften innerhalb weniger Stunden komplett verändern können. Langsamere Veränderungen sind nicht weniger eindrücklich, wie etwa der Rückgang der alpinen Gletscher durch den Klimawandel. Andere wiederum verlaufen so schleichend, dass sie kaum wahrgenommen werden – solchen begegnen wir im SNP besonders häufig: Ehemalige Weiden, die aufgrund des hohen Beweidungsdrucks nur sehr langsam zuwachsen, mächtige Blockgletscher, die sich wenige Dezimeter pro Jahr talabwärts bewegen, oder alpine Seen, die sich langsam erwärmen und deren Lebensgemeinschaften sich stetig ändern. Veränderungen, die mit blossem Auge kaum sichtbar sind.

Wissenschaftliche Perspektiven auf alpine Landschaften
Der Schwerpunkt des Forschungssymposiums lag auf der Wahrnehmung von Landschaften und deren gesellschaftlicher Bedeutung. Historische Dokumente, Fotografien, Flurnamen oder traditionelle Kulturlandschaften liefern wertvolle Einblicke in vergangene und gegenwärtige Vorstellungen von Landschaft. Ross S. Purves, Professor für Geocomputation an der Universität Zürich, zeigte auf, wie der Mensch seit jeher Landschaft mit Sprache beschreibt und damit visuell Wahrgenommenem Bedeutung verleiht.
Eine weitere Vortragsrunde widmete sich naturwissenschaftlichen Fragestellungen. Dabei lag der Fokus auf verschiedenen Methoden zur Landschaftserforschung wie Fernerkundung oder Datenerhebung als Grundlage, um Prozesse der Landschaftsbildung und -veränderung besser zu verstehen. Auch die Auswirkungen des Klimawandels auf die Landschaften, die Rolle der grossen Beutegreifer oder Renaturierungsmassnahmen und deren Bedeutung für die Biodiversität waren zentrale Themen. Speziell auch junge Forschende nutzten die Möglichkeit, ihre Studien am Symposium zu präsentieren und damit Einblicke in neue Forschungsansätze und Denkweisen zu geben.

Unterwegs in den alpinen Landschaften
Nebst Vorträgen und Diskussionen bot das Forschungssymposium die Möglichkeit, Landschaften direkt vor Ort zu erleben. Am zweiten Tag des Symposiums standen Exkursionen zur Auswahl, die spannende Einblicke in die Entwicklung und Veränderung der alpinen Kultur- und Naturlandschaften ermöglichten. Eine Exkursion führte nach Ramosch, wo historische Bewässerungssysteme, alte Verkehrswege und die reich strukturierte Terrassenlandschaft erkundet wurden. Eine weitere Tour beleuchtete Veränderungen in der Val Müstair und zeigte, welche Auswirkungen beispielsweise Meliorationsmassnahmen auf die Kulturlandschaft haben. Auf einer dritten Exkursion im Ofenpassgebiet standen Spuren ehemaliger menschlicher Nutzung und heutige Schutzmassnahmen des SNP und deren Auswirkungen auf die Landschaft im Zentrum.

Programm: fok-snp.scnat.ch

Unterwegs in der Terrassenlandschaft von Ramosch

Unterwegs in der Terrassenlandschaft von Ramosch

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