120 Forscher fanden über 1850 Tier- und Pflanzenarten in der Val Müstair
Rund 120 Experten aus Südtirol, Nordtirol und der Schweiz haben am Samstag, 25. Juni verschiedene Lebensräume in der Val Müstair/Münstertal unter die Lupe genommen. Ziel der Aktion war die Erhebung möglichst vieler Arten aus 25 Tier- und Pflanzengruppen. Innert 24 Stunden fanden die Forscherinnen und Forscher mehr als 1850 Arten!
Der GEO-Tag der Artenvielfalt in der Val Müstair verfolgte zwei Ziele: Einerseits sollten innert 24 Stunden möglichst viele Arten erfasst werden, andererseits wurde den Gästen und den Einheimischen die Tier- und Pflanzenwelt näher gebracht.
Daher wurden parallel zur Forschungsarbeit von 6:00 Uhr morgens bis 18:00 abends eine Reihe von Exkursionen angeboten, welche von einer Gruppe von unersättlichen Naturfreunden in voller Länge besucht wurden! Früh am Morgen führte Udo Thoma die Vogelliebhaber zu den ornithologischen Besonderheiten der Val Müstair über die Golawiesen. Danach folgte ein Besuch im Prader Sand im Vinschgau und bei der Welt der Fische im Nationalparkzentrum Aquaprad. Den Abschluss der Exkursionen bildete eine Wanderung entlang des Roms, welche von fast 40 Personen besucht wurde. Grettina Weber und Regula Bollier zeigten interessierten Gästen aus der Schweiz und Italien von Santa Maria bis Müstair die Vielfalt des Roms entlang der renaturierten Bereiche. Den Schlusspunkt der öffentlichen Veranstaltungen setzte schliesslich eine Präsentation durch die 120 Experten in der Mehrzweckhalle in Taufers, welche um 18:30 Uhr einem zahlreich erschienenen Publikum ihre ersten Ergebnisse präsentierten.
Bis es aber soweit war, mussten die Daten gesammelt werden. Den Auftakt bildeten bereits am Freitag die Fledermausspezialisten, welche die bekannten und eher unbekannte Fundorte aufsuchten und mittels Spezialgeräten die unterschiedlichen Rufe der nachtaktiven Tiere aufnahmen und analysierten. Dabei konnte erstmals in der Val Müstair das Alpenlangohr nachgewiesen werden. Auch die Nachtfalter, verschiedene Schneckenarten und Vögel zwangen die zuständigen Experten zu Nachtarbeit. Ornithologen waren ebenfalls bereits sehr früh am Morgen draussen anzutreffen. Diese umfassende Erhebung führte dazu, dass am Ende genau 93 Vogelarten nachgewiesen werden konnten, darunter Grauspecht, Wendehals und Zippammer.
Den Startschuss am Samstagmorgen gab Thomas Willhalm vom Naturmuseum Südtirol. Er schickte die Forschenden auf 12 Untersuchungsflächen mit dem Auftrag, bis um 17:00 Uhr möglichst viele Arten zu suchen und zu bestimmen. Es war eindrücklich, was im Laufe des Tages gefunden wurde: Die Pilzexperten hatten 93 verschiedene Arten zusammengebracht, an Felsen und Mauern wurden 150 Flechtenarten bestimmt, auch die Moospezialisten trugen mit 118 Arten zum guten Gesamtergebnis bei. Herausragend in Sachen Artenzahl waren die zahlreichen Botaniker, welche fast 700 Arten bestimmen konnten. Auch sie zählten alle die eine oder andere Rarität oder einen Erstfund für das Gebiet auf. So zum Beispiel der Acker-Wachtelweizen, der in vielen Regionen der Alpen ausgestorben ist, aber im Untersuchungsgebiet der Val Müstair noch zahlreich gefunden wurde.
Einen Schwerpunkt setzten alle GEO-Tage, welche dieses Jahr im deutschsprachigen Raum durchgeführt wurden, auf die Artenvielfalt am und im Gewässer. Die vier Experten, welche die Kleinlebewesen im Rom bzw. Rambach suchten, gehen davon aus, dass sie 26 verschiedene Arten gefunden haben, auch wenn sie einige erst im Labor unter dem Mikroskop definitiv bestimmen können. Viele weitere Experten, welche die sogenannten niederen Tierarten zusammengetragen haben, müssen nun im Labor ihre ersten Ergebnisse noch überprüfen und verifizieren.
Ein aufmerksames Publikum lauschte mit Staunen bei der Schlusspräsentation in Taufers diesen Ausführungen, und wurde nicht müde, den Experten zuzuhören, welche mit viel Begeisterung von den Schönheiten von Tagfaltern und Libellen aber auch von Hummeln, Wespen und Hornmilben erzählten. Für einen Lacher sorgte die Schneckenspezialistin, welche ausführte, dass sie dem Liebesspiel von zwei Nachtschnecken nicht bis zum Ende zusehen wollte, weil es einfach zu lange dauerte.
Der GEO-Tag der Artenvielfalt in der Val Müstair wollte einfach zeigen, dass auch hier eine grosse Vielfalt von Arten existiert, welche es zu fördern und zu erhalten gilt. Und er zeigte auch deutlich, dass es für die Arten keine Landesgrenzen gibt. Die Val Müstair bzw. der italienische Teil des Münstertals bilden ökologisch einen einzigen, gemeinsamen Lebensraum. Die Steppensegge wurde in der Schweiz noch nie nachgewiesen, die Pflanzenexperten des GEO-Tags fanden sie auf der italienischen Seite des Untersuchungsgebietes nur wenige hundert Meter entfernt von der Grenze. Diese Gedanken nahm ein beeindrucktes und zufriedenes Publikum am Ende der Veranstaltung aus der Mehrzweckhalle in Taufers mit nach Hause.
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Fotolegenden:
Bild 1: Die Gewässerspezialisten beim Materialsammeln im Rom
Bild 2: Der Libellenforscher, aufmerksam beobachtet von Exkursionsteilnehmern
Bild 3: Flechtenforscher beim intensiven Studium ihrer Arten
Bild 4: Was fliegt den da? Auch Spezialisten müssen ab und zu ein Buch zu Rate ziehen
Allgemeine Informationen zum Geo-Tag der Artenvielfalt gibt es unter
http://www.geo.de/GEO/natur/oekologie/tag_der_artenvielfalt
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