Besonderheiten des Nationalparks
Der Schweizerische Nationalpark (SNP) ist mit Gründungsjahr 1914 der älteste Nationalpark der Alpen und das grösste Wildnisgebiet der Schweiz. Er umfasst 170 km2 unberührte Naturlandschaft mit 100 km markierten Wanderwegen.
Gemäss internationaler Naturschutzunion (IUCN) ist der SNP ein Reservat der Kategorie 1a (höchste Schutzklasse, Wildnisgebiet). Tiere, Pflanzen, Lebensräume und natürliche Prozesse sind vor jeglichen menschlichen Eingriffen geschützt.
Die wissenschaftliche Forschung ermöglicht es, die natürlichen Prozesse zu verstehen. Der SNP dient als Freiluftlaboratorium, in dem wir beobachten und verstehen können, wie sich die Natur ohne menschliches Zutun entwickelt.
Statut öffentlich-rechtliche Stiftung mit Sitz in Bern
Lage Kanton Graubünden (Engadin und Val Müstair)
Höhenlage 1400 m ü.M. (Clemgia/Scuol) bis 3174 m ü.M. (Piz Pisoc)
Klima trocken, rauh, starke Sonneneinstrahlung, geringe Luftfeuchtigkeit
Fläche 170,3 km2, (17030 ha)
Gründung 1.8.1914 (Beginn: 1909 mit der Val Cluozza, Zernez)
Ziele totaler Naturschutz, Forschung, Information
Pachtgemeinden (%) Zernez (68,6), S-chanf (13,5), Scuol (13,2), Val Müstair (4,7)
Parkeingänge 13 (obligatorisch)
Wegnetz 100 km, 21 offizielle Wanderrouten, wovon 2 alpine Routen (weiss-blau-weiss)
Besucher ca. 120 000 pro Jahr
Rastplätze 18 (Feuern und biwakieren verboten)
Ofenpassstrasse 7 Parkplätze (Platzzahl beschränkt)
Öffentliche Verkehrsmittel 8 Postauto-Haltestellen im Park (P1/P3/P4/P6/P8/P10, S-charl, Prasüras) Anreise
Übernachtung im Park: Chamanna Cluozza, Hotel Parc Naziunal Il Fuorn
Camping im Park (inkl. Parkplätze) verboten; Umgebung: nur offizielle Plätze
Hunde sind im gesamten Parkgebiet verboten, auch an der Leine (Naturschutz-Bestimmungen)
Geführte Exkursionen breites Angebot während der Hochsaison montags bis donnerstags, private und pädagogische Exkursionen auf Anfrage
Ausrüstung warme Kleidung; gute Wanderschuhe; Fernglas
Orientierungstafeln an jedem Parkeingang und Parkplatz (Wegbeginn)
Naturlehrpfad Il Fuorn-Stabelchod-Margunet-Val dal Botsch, 3,5 Stunden
Vegetation: Wald 28% (davon 99,5% Nadelwald), Alpine Matten 21% (hier wachsen die meisten Alpenpflanzen), vegetationsfrei 51% (Geröll, Fels, Hochgebirge)
Winter Park nicht begehbar (Ski nicht erlaubt)
Mitarbeitende ca. 50, Team
Information Nationalparkzentrum in Zernez und Gäste-Info Zernez
Wildnis als Auftrag
Wildnis zuzulassen ist seit seiner Gründung das erklärte Ziel des Schweizerischen Nationalparks (SNP). Als international anerkanntes Wildnisgebiet erfüllt er die strengsten Normen, die es für Schutzgebiete gibt. Dank seiner Grösse und den Schutzbestimmungen kann sich die Natur im SNP weitgehend ohne menschlichen Einfluss entwickeln. Das ist zentral, denn Wildnisgebiete verfügen über eine reiche Biodiversität und sind deshalb besonders schützenswert. Dies vor allem Angesichts der Tatsache, dass weltweit der Anteil an Wildnisgebieten stark rückläufig ist.
Die Wildnis des Parks hat viele Facetten:
Mit Ausnahme von ganz wenigen Entnahmen stark verletzter, leidender Wildtiere werden im Nationalpark keine Lebewesen getötet. Und selbstverständlich wird das Wild in Notzeiten hier auch nicht gefüttert. Abhängigkeiten vom Menschen bedeuten stets Störungen des Systems; solche Beeinflussungen schaden häufig und sind im Nationalpark grundsätzlich ausgeschlossen. Hier soll sich die Natur nach ihren eigenen Regeln entwickeln können. Nur so bleibt uns ein Beispiel dafür, wie die Natur wirklich funktioniert.
Werden, Sein und Vergehen ist das Grundprinzip des Lebens. Zum Geborenwerden gehört auch das Sterben. Harte, schneereiche Winter, epidemische Krankheiten oder verstärkt auftretende Raubtiere sorgen für erhöhte Sterblichkeit. Im Frühjahr zu Tage tretende Huftierkadaver werden von Aasfressern genutzt und entsprechen dem Gang der Natur. Es gibt Gewinner und Verlierer, was sich nicht bewährt, geht unter. Gerade dadurch hat die Natur so wirkungsvolle und faszinierende Anpassungen entwickelt.
In den Wäldern des Schweizerischen Nationalparks fallen viele abgestorbene Bäume auf: kahle, aufrechtstehende oder bereits niederliegende, eventuell schon überwucherte Baumleichen. Dieser Umstand ist in keiner Weise alarmierend, denn das Totholz ist eine Stätte reichen Lebens. Wir werden hier Zeugen des Naturkreislaufs: Vergangenes Leben ist Ausgangspunkt für neue Existenz. Totholz bietet Lebensraum und Nahrung für viele Insekten, von denen beispielsweise Spechte profitieren. Und vermodernde Stämme bieten eine hervorragende Grundlage für Jungbäume.
Im Gebiet des Schweizerischen Nationalparks gibt es seit Menschengedenken keinen Urwald mehr. Der Name Ofenpass (Pass dal Fuorn) weist auf den früheren Bergbau hin, der viel Holz benötigt und zu Kahlschlägen geführt hat. Auch für die Versorgung der Saline Hall in Tirol wurden im Gebiet des späteren Nationalparks viele Bäume gefällt. Seit 1914 holt sich hier die Natur aber ihr Reich zurück.
Wildnisgebiete ermöglichen uns, die Natur langfristig in ihren komplexen Wirkungsweisen kennen zu lernen und wissenschaftlich zu beschreiben. Nur so gewinnen wir die nötigen Grundlagen, um uns auch in anderen, mehr von Menschen gestalteten Lebensräumen rücksichtsvoll und nachhaltig zu verhalten. Der Nationalpark nutzt das reiche Expertenwissen auch, um seinen Gästen die Zusammenhänge der Natur im Rahmen von Umweltbildungsangeboten näher zu bringen. Wildnis erleben und Wildnis verstehen gehen hier Hand in Hand.
Grundlagen und Ziele
Das 1980 erlassene Nationalparkgesetz ist die rechtliche Grundlage des Nationalparks und beschreibt seine Aufgaben. Es definiert Wesen und Zweck des Parks:
Der Nationalpark ist ein Reservat, in dem die Natur vor allen menschlichen Eingriffen geschützt und namentlich die gesamte Tier- und Pflanzenwelt ihrer natürlichen Entwicklung überlassen wird.
Das Gesetz gibt den Rahmen für den Schutz des Nationalparks. Die detaillierten Bestimmungen (z.B. Schutzziele, Verbote) sind in der Kantonalen Verordnung aufgeführt. Im Leitbild sind unsere drei Hauptziele zusammengefasst:
Der Schweizerische Nationalpark ist eine streng geschützte Wildnislandschaft, in der sich Tiere und Pflanzen frei entwickeln und natürliche Prozesse ihre Wirkung entfalten können.
Was weise Pioniere vor über 100 Jahren gegründet haben, ist heute ein Juwel: der erste Nationalpark der Schweiz und der älteste der Alpen. Nach Definition der Internationalen Naturschutzunion (IUCN) gehört der Schweizerische Nationalpark (SNP) der höchsten Kategorie I (Wildnisgebiet) an und spielt somit in der «Champions League» der Schutzgebiete. Dieser hohe Schutzstatus verpflichtet. Im Nationalpark dürfen weder Wege verlassen, Blumen gepflückt, Wiesen gemäht, Tiere getötet noch Bäume gefällt werden. Die Natur ist sich selbst überlassen und es darf nichts an ihr verändert werden (Naturschutz-Bestimmungen).
Hier geht es um mehr als reinen Artenschutz:
Geschützt ist der ganze Lebensraum mit seinen natürlichen Prozessen. Dazu gehören auch umstürzende Bäume, Lawinen und Murgänge. Diese umfassende und konsequente Philosophie ist seit der Gründung des SNP am 1. August 1914 zentrales Element und Referenz für die künftige Entwicklung.
Wie entwickelt sich die Natur ohne Zutun des Menschen? Grundlagen- und Langzeitforschung erlauben es, komplexe Prozesse zu verstehen.
Wissenschafter aus verschiedenen Forschungsinstitutionen nutzen dieses einzigartige Freiluftlaboratorium, um Erkenntnisse über Artenentwicklung und Lebensraumveränderungen in den Alpen zu gewinnen. Die minimalen menschlichen Störungen und die langjährigen Forschungsaktivitäten von früheren Wissenschafter-Generationen bieten ideale Bedingungen für unterschiedliche Forschungsdisziplinen.
Die weit zurück reichenden Datenreihen des Nationalparks sind einzigartig und begründen seine Bedeutung als attraktiver Forschungsstandort. Die ersten Dauerbeobachtungsflächen wurden bereits 1917 eingerichtet und werden seither regelmässig untersucht und dokumentiert.
Nationalparkforschende sind im Feld an einer farbigen Armbinde oder Leuchtveste erkennbar und geben gerne Auskunft über ihre Tätigkeit.
→ Mehr zur Wissenschaft im Nationalpark
Wanderungen im Nationalpark bieten spannende Naturerlebnisse. Der Besuch des Nationalparkzentrums liefert die Hintergründe dazu.
In unberührter Natur wandern, Murmeltiere auf kurze Distanz beobachten, Edelweiss am Wegrand bestaunen, Ausschau nach einem Bartgeier halten, mit einem Parkwächter diskutieren: Das sind Erlebnisse, die prägen.
Mit seiner vielfältigen Informationsarbeit möchte der Schweizerische Nationalpark seinen Gästen die Zusammenhänge in der Natur näher bringen und Partner für deren Schutz gewinnen.
Geführte Exkursionen, Naturlehrpfade, Fortbildungen für Lehrpersonen, Angebote für Kinder, Vorträge, Ausstellungen oder die Nationalpark-App sind Bausteine im Umweltbildungsprogramm des Nationalparks.
Entstehung & Entwicklung
Fritz und Paul Sarasin, Carl Schröter, sowie der Engadiner Steivan Brunies – die späteren Nationalparkgründer – betrachteten die fortschreitende Erschliessung der Bergwelt und die zunehmende Industrialisierung mit Sorge. Sie gründeten den Schweizerischen Bund für Naturschutz, heute Pro Natura genannt, um dieser Entwicklung Gegensteuer zu geben. Ihre Vision: Es soll ein Stück Land reserviert werden, in dem sich die Natur – vom Menschen ungestört – entwickeln kann.
«… dass nur durch ein solches grossangelegtes Werk zu hoffen ist, die erhalten gebliebene ursprüngliche Tier- und Pflanzenwelt unseres Landes in einem bestimmten Gebiet retten zu können.“ (S. Brunies, 1906)
Auch der erste Eidgenössische Oberforstinspektor Johann Coaz spielte dank seiner Vernetzung mit zentralen Entscheidungsträgern eine wichtige Rolle im Entstehungsprozess des ersten Nationalparks der Alpen. Eine Zusammenfassung:
Schon früh, im Jahre 1904, regt Nationalrat Fritz Bühlmann die Gründung eines grossen Schutzgebiets an. Nach eingehender Prüfung erweist sich das Gebiet um den Ofenpass wegen seiner Abgeschiedenheit und reichen Tier- und Pflanzenwelt als am besten geeignet.
1909 können die Naturschutzpioniere von der Gemeinde Zernez die Val Cluozza für 25 Jahren pachten. Um den Pachtzins zu finanzieren, gründen sie den Schweizerischen Bund für Naturschutz, heute Pro Natura.
Die Gemeinde Zernez kann wegen des Ausbruchs der Maul- und Klauenseuche ihre Alpen nicht mehr mit Schafen aus Italien bestossen. Das führt zu empfindlichen finanziellen Einbussen und begünstigt Verhandlungen um zusätzliche Gebiete für einen Nationalpark.
1913 besucht eine parlamentarische Kommission aus Bern die Val Cluozza und ist auf Anhieb von der Nationalparkidee begeistert. Sie setzen sich im Parlament für die Gründung des ersten Nationalparks der Alpen ein.
Am 1. August 1914 erfolgt die Gründung des Schweizerischen Nationalparks. Sein erster Oberaufseher ist der Engadiner Steivan Brunies aus Cinuos-chel.
1936 ein erster Rückschlag, die Val Tavrü wird auf Wunsch der Parkgemeinde Scuol wieder aus dem Park ausgegliedert.
1957 stimmt die Schweizer Bevölkerung nach kontroversem Abstimmungskampf der Konzessionserteilung an die Engadiner Kraftwerke für die Wassernutzung des Spöl auf Nationalparkgebiet zu. Dies verändert das ökologische System des Spölbachs nachhaltig.
1968 öffnet das Nationalparkhaus in Zernez seine Tore und verleiht der Öffentlichkeitsarbeit des Nationalparks neuen Schub.
1980 verschaffen das neue Nationalparkgesetz und die zugehörige kantonale Verordnung dem Nationalpark eine klare rechtliche Grundlage.
Im Jahre 2000 wird das Nationalparkgebiet um die 3,6 Quadratkilometer grosse Seenplatte von Macun erweitert. Die Idee, um den bestehenden Nationalpark eine Umgebungszone zu schaffen, findet in der Gemeinde Zernez keine Mehrheit.
2001 beginnt die Weiterentwicklung des Biosphärenreservats Engiadina Val Müstair. Der Nationalpark stellt die Kernzone, die Kulturlandschaft der Val Müstair und Teile der Gemeinde Scuol bilden die Pflege- und Entwicklungszone.
2008 erfolgt die Einweihung des neuen Nationalparkzentrums in Zernez. Dieses Jahrhundertprojekt eröffnet der Öffentlichkeitsarbeit des Nationalparks neue Dimensionen.
2014 feiert der Schweizerische Nationalpark sein 100-jähriges Bestehen mit zahlreiche Anlässen und Projekten.
2017 anerkennt die UNESCO das Biosphärenreservat Engiadina Val Müstair offiziell.
2021 erhält der Nationalpark vom Bund das Label Park von nationaler Bedeutung. Ab diesem Zeitpunkt beteiligen sich nebst dem Bund auch der Kanton Graubünden und die Gemeinden der Region an der Finanzierung des Nationalparks.
2021 nimmt die IUCN dem Schweizerischen Nationalpark in die Grüne Liste auf. Dies ist eine Auszeichnung für Schutzgebiete mit vorbildlichem Management und erfolgreicher Naturschutzarbeit.
2023 erfolgt die Wiedereröffnung des komplett neu inszenierten Nationalparkzentrums.
Auszeichnungen
Der Schweizerische Nationalpark ist Teil verschiedener Naturschutz-Netzwerke und Träger von diversen Anerkennungen:
- Schutzgebiet Kategorie 1a (Streng geschütztes Wildnisgebiet) gemäss Internationaler Naturschutzunion IUCN
- Der Schweizerische Nationalpark ist seit 1967 Träger des Europäischen Diploms für geschützte Gebiete, das vom Europarat in Strassburg vergeben wird. Das Diplom hat jeweils ein Geltungsdauer von 10 Jahren und wird verlängert, falls die Institution die Anforderungen erfüllt.
- Objekt Nr. 1915 des Bundesinventars der Schützenswerten Landschaften (BLN)
- Park von Nationaler Bedeutung (Träger des Pärkelabels des Bundes)
- Kernzone des UNESCO-Biosphärenreservats Engiadina Val Müstair.
- Der SNP steht seit dem 20. April 2021 auf der exklusiven Grünen Liste der Internationalen Naturschutzunion. Dies ist eine Auszeichnung für Schutzgebiete mit vorbildlichem Management und erfolgreicher Naturschutzarbeit.