Ein Beitrag von Stefanie Gubler (SCNAT) und Simon Aeschbacher (Schweizerischer Nationalpark SNP)
29. Juli 2025

Auch 2025 trafen sich Forschende auf dem Hochplateau von Macun zu den jährlichen Forschertagen. Inmitten eindrücklicher Natur untersuchten sie die alpinen Gewässer, Fische, Schmetterlinge und mehr. Die geselligen Tage fördern seit 25 Jahren nicht nur neue Erkenntnisse, sondern auch den Austausch und den Beginn gemeinsamer Projekte.

Titelbild: Die Teams von SUPSI und HEPIA untersuchen die Oberflächengewässer auf Macun – von Kieselalgen und Makroinvertebraten bis hin zu Wasserchemie und -physik. (Foto: Stefanie Gubler)

Traditionellerweise werden jegliche wissenschaftliche Untersuchungen auf Macun ausschliesslich an ausgewählten Tagen im Jahr durchgeführt. Dabei treffen sich alle Forschenden, die auf Macun wissenschaftliche Fragestellungen bearbeiten, während drei bis fünf Tagen in der Militärhütte bei Weiher M6, ausserhalb des Schweizerischen Nationalparks (Abb. 1). 2025 war ein geschäftiges Jahr – über 20 Personen waren auf der Seenplatte unterwegs, um verschiedenste Forschungsfragen zu bearbeiten.

Uebersichtskarte Seenplatte Macun

Abb.1: Übersicht über die Seenplatte Macun (© SNP, swisstopo)

Kleinste Lebewesen in den Gewässern und unterschiedliche Temperaturen

Seit 25 Jahren werden auf Macun die Oberflächengewässer untersucht – sei es hinsichtlich der Kleinstlebewesen wie Kieselalgen oder Makroinvertebraten oder in Bezug auf die chemischen und physikalischen Eigenschaften des Wassers. Auch dieses Jahr untersuchte eine Gruppe unter der Leitung von Andreas Bruder (Scuola universitaria professionale della Svizzera italiana SUPSI) – Nachfolger von Chris Robinson (Wasserforschungsinstitut des ETH-Bereichs Eawag) – die vielfältigen Lebensgemeinschaften in den Bächen. Das Team der HEPIA (Haute école du paysage, d’ingénierie et d’architecture de Genève) unter der Leitung von Eliane Demierre beprobte währenddessen alle Weiher von Macun (Titelbild).

Ein zentraler Einflussfaktor auf die Gewässer ist das Schmelzwasser der zahlreichen Blockgletscher. So zeigen sich deutliche Temperaturunterschiede zwischen Weihern mit und ohne Einfluss der Blockgletscher: Während der Weiher M23, mitten in den Blockgletschern gelegen (Abb. 1), am zweiten Tag der Forscherwoche eine Temperatur von 3 °C aufwies, erreichten Weiher mit geringerem Einfluss von Blockgletschern am selben Tag über 13 °C. Auch der Bach Zeznina oberhalb des Blockgletschers B1 – direkt am Ausfluss des Lai d’Immez – war über 3 °C wärmer als unterhalb des Blockgletschers.

Forschende in einem Boot im Lai Grond auf Macun

Abb.2: Untersuchung der Bachforellen und Amerikanischen Seesaiblinge im Lai Grond:
Die Forschenden der Hydra AG kontrollieren Fangnetze, um die Fische zu vermessen und dabei Erkenntnisse über ihre Nahrung, ihr Alter, ihre Grösse und ihre Fortpflanzung zu gewinnen. (Foto: Stefanie Gubler)

Fische und Frösche: Leben in nährstoffarmer Höhe

Bis ins Jahr 1993 wurden in die Macun-Seen regelmässig Fische wie Bachforellen und Amerikanische Seesaiblinge eingesetzt. Die Gruppe der Hydra AG untersuchte dieses Jahr im Lai Grond, wovon sich diese Fische in der nährstoffarmen Umgebung ernähren und wie sich ihre Population entwickelt (Abb. 2). Auch 30 Jahre nach dem letzten Besatz sind Fische in den Seen vorhanden. Deren Nahrung besteht aus einem breiten Spektrum wasserlebender Wirbelloser und zugeflogener Insekten. So wurden 2015 in Fischmägen unter anderem Wassermilben, Wasser- und Landkäfer, Zuckmückenlarven, Würmer und Hautflügler gefunden. Dennoch sind die Fische der Macun-Seen oft schlecht genährt und auffallend schlank.

Auch nach Amphibien, konkret nach Grasfröschen, hat Sam Cruickshank (SNP) 2025 intensiv gesucht – jedoch grösstenteils erfolglos. Obwohl Grasfrösche bis auf 2500 m ü. M. vorkommen, vermuten die Forschenden, dass sie auf Macun kaum überleben können, da ihre Laichstadien und Kaulquappen wahrscheinlich von den hungrigen Fischen gefressen werden.

Die Seetiefe durch Drohnen erfassen

Die Tiefen der Macun-Seen sind bislang weitgehend unbekannt. Der SNP hat deshalb 2025 unter der Leitung von Samuel Wiesmann versucht, diese mithilfe von Drohnenaufnahmen zu erfassen. Da Spiegelungen auf der Wasseroberfläche die Sicht auf den Seegrund behindern, ist dies nur bei bedecktem Himmel möglich – und während sich andere Forschende über Sonnenschein freuten, hoffte Samuel Wiesmann auf Wolken. Ob die Seetiefen aus den Drohnenbildern tatsächlich zuverlässig ermittelt werden können, ist derzeit noch unklar. Sollte sich die Methode als ungenügend erweisen, ist geplant, die Seen künftig mit Echoloten zu vermessen.

Nachtfalter Engadiner Baer

Abb.3: Engadiner Bär (Arctia flavia), ein hochalpiner Nachtfalter, der lokal in den Hochlagen der Zentralalpen und gehäuft im Engadin und den angrenzenden Gebirgszügen gefunden wird. (Foto: Korbinian Schrauth)

Ein kleiner Bär auf Macun

Auf Sonne hingegen war Korbinian Schrauth angewiesen: Er erhebt im Rahmen seiner Bachelor-Arbeit an der Universität Würzburg die Tagfalter-Gemeinschaften auf Macun. Diese sind stark von den extremen Bedingungen des Hochplateaus geprägt – von 54 Tagfalterarten aus dem Tal hat Korbinian nur 20 auch auf Macun gefunden. Neben mobilen Gelegenheitsgästen wie dem Distelfalter leben auf dieser Höhe spezialisierte Hochgebirgsarten wie der Alpenweissling. Auch die Nachtfalter untersucht Korbinian: Mit Abstand das schönste Beispiel der hochalpinen Nachtfalterfauna auf Macun ist der Engadiner Bär (Abb. 3).
Seit 2024 werden zudem auch die Insekten auf Macun erhoben – im Rahmen der Forschungsinitiative INSECT zur Veränderung der Insektenfauna in der Schweiz werden bodenlebende und fliegende Insekten gefangen und bestimmt (Abb. 4).

Forscher an einer Insektenfalle auf Macun

Abb.4: Seit 2024 werden auf Macun mithilfe von Insektenfallen Insekten systematisch erfasst. Auf dem Foto ist der Zivildienstleistende Alexander Prinz beim Leeren einer Falle für bodenlebende Insekten zu sehen. (Foto: Stefanie Gubler)

Gesellige Tage auf Macun

2025 wurde intensiv geforscht – aber auch gemeinsam gegessen, diskutiert und gelacht. Die Forschertage auf Macun sind ein geselliger Anlass, an dem Forschungsergebnisse hinterfragt, neue Ideen geboren und Projekte angestossen werden. Und das mittlerweile seit 25 Jahren – seit Macun in den Schweizerischen Nationalpark integriert wurde.

Wer sich für die einzelnen Ergebnisse aus der Wissenschaft interessiert, ist herzlich eingeladen zur Vernissage des Buches «Alpine Ökosysteme im Schweizerischen Nationalpark – die Seenplatte Macun» am 1. Oktober 2025 um 19:30 Uhr im Schulhaus von Lavin. Weitere Infos zu diesem Anlass finden Sie hier.

 

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