Medienmitteilung der Task Force Spöl vom 17. Juni 2014

Der Spöl ist ein Jahr nach dem Öko-Unfall am 30. März 2013 in Punt dal Gall auf gutem Weg. Diese zeigen die seit dem Unfall bis heute durchgeführten Untersuchungen zahlreicher Fachleute. Die Ausgangslage und sämtliche Ergebnisse sowie vorbeugende Massnahmen werden im Herbst in einem Schlussbericht veröffentlicht. Dies beschloss die Task Force Spöl, welche im Anschluss an den Öko-Unfall gebildet wurde, Mitte Juni in Chur.

In der Nacht vom 29. zum 30. März 2013 führte Feinsedimenteintrag in die Dotieranlage des Stausees Livigno zum Ausfall der Restwasserabgabe und zur Verschlammung und zeitweisen Trockenlegung des Spölbachs im Schweizerischen Nationalpark (SNP). Mehrere Tausend Fische verendeten. Um die Ursachen und die ökologischen Auswirkungen zu untersuchen, wurde in der Folge eine Task Force – bestehend aus Vertretern der betroffenen eidgenössischen und kantonalen Ämter, den Engadiner Kraftwerken (EKW), dem Schweizerischen Nationalpark (SNP) und der Forschungskommission des SNP – gebildet, um die Ursachen und Folgen des Unglücks zu untersuchen. Diese unbürokratische und partnerschaftliche Zusammenarbeit war möglich, weil diese Gremien am Spöl seit Jahren erfolgreich mit künstlichen Hochwassern ein naturnahes Regime simulieren und dessen Entwicklung wissenschaftlich begleiten. Aufgrund der dadurch vorhandenen Kenntnisse über die Prozesse und die Lebewelt des Spöls war ein detaillierter Vergleich des ökologischen Zustandes vor und nach dem Unfall möglich. Die strafrechtlichen Untersuchungen sind nicht Gegenstand dieser Task Force.
Am 10. Juni trafen sich die Experten in Chur, um die Ergebnisse der bisherigen Abklärungen zu diskutieren und zu verabschieden. Zudem wurden eine Reihe von möglichen Empfehlungen zu Handen von Bund und Kanton, den EKW und der Forschung erörtert, welche das Risiko solcher Ereignisse am Spöl weiter minimieren sollen.

Eine Kartierung der Bachforellen-Laichplätze im Frühwinter belegte, dass die überlebenden Fische ihre angestammten Laichplätze wieder aufsuchten. Anhand der Fischbestandsaufnahmen 2013 und 2014 konnte rekonstruiert werden, dass mindestens ein Drittel der ursprünglichen Bachforellen-Population den Unfall an Ostern 2013 überlebt hatte. Dafür entscheidend waren das aus den Seitenbächen zufliessende Wasser und die Fluchtmöglichkeit in tiefere Becken und in den unterhalb liegenden Stausee Lai da l’Ova Spin. Im Frühjahr 2014 wurden im unteren Teil des betroffenen Spöl-Abschnitts wieder zahlreiche und wohlgenährte Bachforellen angetroffen, auf den ersten ca. 1,5 km unterhalb der Staumauer geht die Wiederbesiedlung allerdings erst langsam voran. Hier hatten wahrscheinlich keine Forellen überlebt, die an ihre Standorte zurückkehren konnten. Der Bestand muss sich deshalb vor allem durch die natürliche Reproduktion erholen.

Die Engadiner Kraftwerke haben aufgrund der Vorkommnisse als Sofortmassnahme das betriebliche Absenkziel auf 1735 m. ü. M. erhöht. Damit kann das Risiko von erneuten Schlammausträgen minimiert werden. Zudem prüfen die EKW technische Verbesserungen im Rahmen der in den kommenden Jahren vorgesehenen Sanierung der Stauanlage. Dazu gehören eine Höherlegung des Dotierwassereinlaufs, um jederzeit in der Lage zu sein, sauberes Wasser in den Spöl zu leiten, sowie die Installation redundanter Restwassermessungen. Aufgrund der Erkenntnisse aus dem Umweltunfall sollen sämtliche Sanierungsarbeiten durchgeführt werden, ohne den Stausee abzusenken. Im Verlauf der kommenden Monate wird EKW die für die Projektanpassungen notwendigen Genehmigungsverfahren einleiten.

Die Task Force begrüsst dieses Vorgehen der EKW und beschloss darüber hinaus die folgenden weiteren Massnahmen: Die künstlichen Hochwasser am Spöl sollen weiterhin durchgeführt werden, um einerseits den Grundablass freizuhalten, andererseits aber auch um die Dynamik im Spöl und damit die natürliche Artenvielfalt zu fördern. Zudem wird das ökologische Monitoring am Spöl und seinen grösseren Seitenbächen unter der Leitung der Forschungskommission des SNP weitergeführt, ergänzt mit weiteren Fischbestandaufnahmen im 1-2 Jahresrhythmus. Zudem wünscht sich die Taskforce, dass in Zukunft weitere Forschungsarbeiten im Bereich der Sedimentbewegungen gemacht werden, um diese Abläufe besser zu verstehen.

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Weitere Informationen:

Amt für Jagd und Fischerei (Task-Force Leitung)
Dr. Marcel Michel
Tel. 081 257 38 94
Mob. 079 650 55 42
marcel.michel@ajf.gr.ch

SCHWEIZERISCHER NATIONALPARK
Ruedi Haller
Tel. 081 851 41 11
rhaller(at)nationalpark.ch

Engadiner Kraftwerke AG
Michael Roth, Direktor
Tel. 081 851 43 11
m.roth(at)engadin-strom.ch

Chronologie der Ereignisse

Die Aufarbeitung der Ereignisse zeigte, dass aufgrund des tiefen Wasserstandes im Stausee Livigno – der allerdings mit 17 m noch deutlich über der minimalen Konzessionshöhe lag – Sedimentmassen vornehmlich aus dem Seitenarm von Gallo her in Bewegung gerieten und durch die Dotieranlage in den Spöl gelangten bis die Dotieranlage verstopfte, was zu einem Ausfall des Restwassers führte. Die Verstopfung konnte aufgrund der baulichen Situation nur durch das Öffnen des Grundablasses behoben werden, was zu einem weiteren Schlammeintrag in den Spöl führte. Aufgrund des zunächst fehlenden Wassers und der sehr hohen Schlickkonzentration im Wasser verendeten grosse Mengen an Bachforellen und Kleinlebewesen. Bereits am Vortag waren – unabhängig von den Ereignissen am Bach – Tausende von Seesaiblingen in den Druckstollen und von dort in die Turbinen der EKW geraten. Nebst dem Fischsterben wurde durch das Ereignis das Bachbett des Spöl über ca. 2 km verschlammt. Um diesen Schlamm wieder zu entfernen und damit die Grundlage für eine Wiederbesiedlung durch Fische und Kleinlebewesen zu ermöglichen, führte die Task Force am 9. Juli 2013 ein künstliches Hochwasser durch. Die Begleituntersuchungen am Tag selbst als auch die Folgeuntersuchungen danach zeigten den Erfolg dieser Massnahme: Der Spöl wurde weitgehend vom Schlamm befreit. Eine umfassende Wiederbesiedlung mit Kleinlebewesen erfolgte bereits im Sommer 2013. Im Frühjahr 2014 zeigten die meisten bergbachtypischen Arten sogar höhere Besiedlungsdichten als in allen vorangegangenen Jahren.

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