Ein Beitrag von Julia Murer, ETH Zürich, Angelika Abderhalden, UNESCO Biosfera Engiadina Val Müstair, und Noé Balsiger, SCNAT

20. September 2024

Landschaften spielen eine zentrale Rolle für das menschliche Wohlbefinden, für das Natur- und Kulturerbe und tragen zur Wertschöpfung bei. Die Europäische Landschaftskonvention (ELK) wurde eingeführt, um Veränderungen und verschiedene Ausprägungen von Landschaften zu beobachten und diese partizipativ weiterzuentwickeln. Sie legte unter anderem Kriterien für sogenannte Landschaftsobservatorien (LO) fest. Die Masterarbeit von Julia Murer beleuchtet die Vielfalt und Herausforderungen dieser Observatorien und untersucht die Potenziale für ein regionales LO in der Regiun Engiadina Bassa/Val Müstair.

Titelbild: Blick in die Landschaft des Unterengadins von Tarasp aus (A. Abderhalden)

Die Bedeutung von Landschaftsobservatorien
Landschaftsobservatorien sind Zentren, Institutionen oder Plattformen, die den aktuellen Zustand von Landschaften dokumentieren, historisches Wissen sammeln, Zukunftsszenarien entwickeln und den Austausch über Landschaftsmanagement fördern. Die ELK sieht sie als Monitoring- und Steuerungsinstrumente. In Europa gibt es eine Vielzahl solcher Observatorien, die unterschiedlich in ihren Ansätzen und Schwerpunkten sind. Diese Vielfalt ist zum Teil auf eine vage Definition des Begriffs «Landschaftsobservatorium» und das Fehlen internationaler Vernetzung zurückzuführen.

Vier Typen von Landschaftsobservatorien (LO)
Julia Murer hat in ihrer Studie 13 europäische LOs analysiert und sie in vier Typen kategorisiert: Monitoring LO, Fotografisches LO, Awareness LO und Plattform LO. Diese Kategorisierung hilft, die unterschiedlichen europäischen Strategien zur Landschaftsüberwachung zu verstehen und gibt wichtige Hinweise zu einer möglichen Einrichtung eines LO in der Regiun Engiadina Bassa/Val Müstair (Abb. 1).

Grafik zu Landschaftsobservatorien

Abb.1: Übersicht über die vier Kategorien von Landschaftsobservatorien (LO) und deren Aufgaben und Zielsetzungen. Ein LO kann auch mehrere Kategorien bewirtschaften.

Fallstudie Regiun Engiadina Bassa/Val Müstair
Im Rahmen der Studie haben wir zehn qualitative Interviews mit lokalen Stakeholdern und Landschaftsexperten/-innen in der Regiun Engiadina Bassa/Val Müstair durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen ein grosses Interesse an einem regionalen LO und betonen den Bedarf an mehr Bewusstseinsbildung und Dialog über Landschaftsfragen. Die Region verfügt aktuell bereits über vielfältige Akteure und Projekte, die sich mit der Landschaft und ihrem Wandel befassen, wie die Stiftung Pro Terra Engiadina, die UNESCO Biosfera Engiadina Val Müstair, der regionale Naturpark Biosfera Val Müstair und der Schweizerische Nationalpark. Daher ist es wichtig Synergien zu nutzen und Brücken zu schlagen. Dies kann beispielsweise durch ein Plattform LO übernommen werden.
Unsere Untersuchung hebt hervor, dass die Beteiligung von lokaler Bevölkerung und von Interessensgruppen essenziell für ein erfolgreiches Landschaftsmanagement ist und dass neue Ansätze der Partizipation erkundet werden müssen, um die Ergebnisse solcher Prozesse in politische Entscheidungsabläufe zu integrieren.

Empfohlene Massnahmen zur Umsetzung eines LO
Unsere Erkenntnisse bieten eine fundierte Grundlage für die Implementierung eines LO in der Regiun Engiadina Bassa/Val Müstair. Ein LO könnte zum Beispiel die verschiedenen Ansprüche der Bevölkerung und weiterer Gruppen an die Landschaft sammeln und festhalten und so eine fundierte Diskussionsgrundlage für die Entwicklung der Landschaften schaffen. Konflikte des Landschaftsmanagements können so frühzeitig erkannt und Kompromisse gefunden werden. Langfristig kann dies zu einer nachhaltigen Entwicklung der Landschaft beitragen und das Wohlbefinden der lokalen Bevölkerung stärken.

Fazit
Ein regionales Landschaftsobservatorium in der Regiun Engiadina Bassa/Val Müstair hat das Potenzial, das Bewusstsein für die Bedeutung der Landschaft zu schärfen und den Dialog zwischen verschiedenen Interessensgruppen zu fördern. Die Umsetzung eines solchen Projekts könnte einen wertvollen Beitrag zur nachhaltigen Landschaftsentwicklung in der Region leisten und als Modell für andere Regionen in Europa dienen.


Literatur: 

  • Murer, J. (2023): Landschaftsobservatorium Engiadina Bassa / Val Müstair. Monitoring und Partizipation, Masterarbeit, ETH Zürich. Hier geht’s zur Studie.

 

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