Ein Beitrag von Christian Rossi (SNP) und Noé Balsiger (SCNAT)
29. Oktober 2024
In den letzten Jahren haben sich Drohnen als unverzichtbare Hilfsmittel im Naturschutz und in der Wissenschaft etabliert. Nebst grossen Vorteilen, wie beispielsweise dem Kosten-Nutzen-Verhältnis, birgt diese Technologie auch Risiken – gerade in Schutzgebieten. Wir beleuchten die Geschichte, Chancen und Herausforderungen des Drohneneinsatzes im Schweizerischen Nationalpark (SNP) und zeigen auf, wie diese Technologie zur Erreichung der Naturschutzziele beitragen kann.
Titelbild: Drohnenflug im Nationalpark
Grosses Potential in der Wissenschaft
Drohnen ermöglichen eine kostengünstige Erfassung von hochaufgelösten räumlichen Daten, Luftbildern und digitalen Geländemodellen. Im Vergleich zu Satelliten bieten sie in der Regel eine höhere Auflösung und mehr Flexibilität bezüglich Aufnahmezeitpunkt und Blickwinkel. Gerade im Naturschutz können sie dadurch vielfältig angewendet werden, beispielsweise für die Überwachung von Wildtieren oder natürlichen Prozessen, für die Verfolgung von Waldbränden, die Quantifizierung menschlicher Störungen, die Schätzung der Pflanzenvielfalt oder die Kartierung invasiver Arten.
Trotz des hohen Potentials blieb die Nutzung von Drohnen in Natur- oder Nationalparks bisher relativ gering. Viele Verantwortliche von Schutzgebieten stehen der Anwendung skeptisch gegenüber. Gründe dafür sind u.a. Bedenken hinsichtlich der Kosten, der Akzeptanz oder der potentiellen Auswirkungen auf die Tierwelt, mangelnde Expertise oder logistische Herausforderungen.
Im SNP und seiner Umgebung können wir heute, nach über sieben Jahren Erfahrung und über 100 Flügen zeigen, dass Drohnenanwendungen zur Erreichung der Ziele in Schutz, Forschung und Sensibilisierung beitragen.
Seit dem Jahr 2016 ist der Einsatz von Drohnen zu wissenschaftlichen Zwecken im SNP erlaubt. Zuvor war die Überwachung der Lebensräume, die Erstellung von digitalen Höhenmodellen und die Erfassung von Infrastrukturen zeitaufwendig und kostenintensiv, da sie auf externen Luftbildkampagnen oder manuellen Messungen vor Ort beruhte. Gerade bei Letzteren kann die Störung der Tier- und Pflanzenwelt ein Problem sein.
Beispiele von Drohneneinsätzen im SNP
Um die Rolle von Kerbameisen auf Wildweiden im Nationalpark zu analysieren, werden alle Ameisenhaufen auf der Alp Stabelchod in regelmässigen zeitlichen Abständen aufgenommen. Dabei handelt es sich um mehr als 1200 Haufen. Der Aufwand einer solchen Kartierung ist enorm. Mit drohnengestützten Thermalbildern können wir das Zählen mittlerweile automatisieren. Denn die Ameisenhaufen heizen sich im Tagesverlauf an der Oberfläche stark auf und unterscheiden sich deshalb im Thermalbild deutlich von ihrer Umgebung (Abb.1). So kann die Anzahl Haufen bestimmt werden, ohne den Ameisen auf die Füsse zu trampeln.
Abb.1: Im Thermalbild sind die im Vergleich zur Umgebung wärmeren Ameisenhaufen (rot markiert) gut erkennbar.
Ein weiteres Beispiel, welches vor allem für die Sensibilisierung der Gäste spannend ist, ist die Refotografie. Dabei werden historische Bilder aus dem Nationalpark ein zweites Mal fotografiert, um Veränderungen sichtbar zu machen und diese den Gästen zu vermitteln. So haben wir beispielsweise ein historisches Landschaftsbild von Oktober 1954 aus einem tief fliegenden Flugzeug mit der Drohne neu aufgenommen (Abb.2). Solche Refotografien mithilfe von Drohnen sind Bestandteil einer neuen Sonderausstellung, die der SNP im Jahr 2025 im Nationalparkzentrum eröffnen wird.
Abb.2: Beispiel einer Refotografie im Ofenpassgebiet
Herausforderungen
Die Erfahrungen des Schweizerischen Nationalparks zeigen, dass der Einsatz von Drohnen im Naturschutz viele Vorteile bietet, jedoch mit Vorsicht und fundierter Planung angegangen werden muss. Die potenziellen Störungen der Tierwelt beispielsweise und das komplexe Gelände bezüglich Flugsicht oder Reichweite verlangen ein hohes Mass an Expertise und Verantwortung. Um die Huftiere beispielsweise nicht unnötig zu stören, werden Flüge nicht über Huftierherden durchgeführt. Auch werden während der Winterruhe grundsätzlich keine Kampagnen durchgeführt und im Sommer vorzugsweise Gebiete überflogen, die durch den Menschen bereits gestört sind. Dass der Park seine Einsätze ausschliesslich selbst durchführt und plant, ermöglicht eine optimale Balance zwischen den Zielen des Naturschutzes und der Forschung.
Die Erfahrungen aus dem Nationalpark haben gezeigt, dass Drohnen eine wertvolle Ergänzung oder sogar Alternative zu herkömmlichen Methoden im Naturschutz bieten. Der Schlüssel zum Erfolg liegt jedoch in der sorgfältigen Integration dieser Technologie in die bestehenden Naturschutzstrategien.
Literatur:
- Rossi, C. und Wiesmann, S. (2024): Flying high for conservation: Opportunities and challenges of operating drones within the oldest National Park in the Alps. Ecological Solutions and Evidence Vol 5 (2), https://doi.org/10.1002/2688-8319.12354
- 2022). Formica exsecta increases heterogeneity in the grassland ecosystem Alp Stabelchod in the Swiss National Park. http://www.parcs.ch/snp/pdf_public/2022/50367_20220329_113834_Masterthesis_Morger_Aline_20220203.pdf (
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