Ein Beitrag von Julia Paterno, Schweizerischer Nationalpark
20. November 2024
Das Verhalten von Singvögeln ist abhängig von verschiedenen Umweltfaktoren, welche sich mit zunehmender Höhe verändern können. In höheren Lagen finden wir beispielswiese geringere Temperaturen und eine verkürzte Vegetationsperiode. Um trotz dieser Erschwernisse in höheren Lagen überleben zu können, müssen sich Vögel möglicherweise an die geänderten Umweltbedingungen anpassen.
Titelbild: Singender Buchfink im Bergwald
Im Zuge einer Doktorarbeit im Schweizerischen Nationalpark untersuchten wir den Einfluss verschiedener physikalischer Umweltvariablen auf das Verhalten von Bergwaldvögeln. Der Fokus der Dissertation lag einerseits auf Veränderungen des Gesangsverhalten von sechs häufigen Singvogelarten und andererseits auf Unterschieden in deren Brutverhalten. Bei den ausgewählten Arten handelt es sich um: Singdrossel, Misteldrossel, Rotkehlchen, Tannenmeise, Alpenmeise und Buchfink.
Abb. 1: Die sechs untersuchten Arten (v.l.n.r): Rotkehlchen, Buchfink, Tannenmeise, Alpenmeise, Singdrossel und Misteldrossel
Veränderungen in Gesang und Brut
Um das Gesangsverhalten dieser sechs Singvogelarten zu untersuchen, führten wir Beobachtungen im Feld durch und setzten automatisierte Aufnahmegeräte (sound loggers) ein. Wir untersuchten den Einfluss von Höhenlage, Hangausrichtung, Temperatur, Bewölkung, Mondphase, Datum und Strassenlärm auf den Gesangsbeginn am Morgen und auf die Gesangsaktivität während des Tages. Zusätzlich dazu nutzen wir Citizen-Science Daten, welche von der Schweizerischen Vogelwarte Sempach zur Verfügung gestellt wurden, um Veränderungen im Brutverhalten entlang eines Höhengradienten zu untersuchen.
Abb. 2: In alpinen Gebieten spielt die Hangausrichtung mit zunehmender Höhenlage eine immer wichtigere Rolle. Vögel an ost-exponierten Hängen, an welchen die Sonne früher erscheint, begannen im Schnitt früher zu singen als an west-exponierten Hängen, wo die Sonne erst später erscheint
Anpassungen an die Umwelt
Die Ergebnisse zeigten, dass alpine Singvögel verschiedene Anpassungen entwickelt haben um mit den härteren Umweltbedingungen in höheren Lagen zurechtzukommen: Die untersuchten Singvogelarten begannen in höheren Lagen nur minimal später zu brüten verglichen mit tieferen Lagen.
Zudem konnten wir beobachten, dass die einzelnen Arten ihr Gesangsverhalten in Abhängigkeit der untersuchten Faktoren in unterschiedlichem Mass veränderten.
Der Einfluss von menschlichem Lärm (Strassen- und Baustellenlärm) schien kontext-, jedoch nicht artspezifisch zu sein: Während Zeiten mit erhöhtem Lärmpegel und in lauteren Gebieten veränderten alle untersuchten Singvogelarten ihr Gesangsverhalten.
Abb. 3: Die untersuchten Singvögel begannen am Morgen früher zu singen, wenn es in der Nacht heller war. Dieses Phänomen kennt man aus Städten, wo die starke Lichtverschmutzung zu teils grossen zeitlichen Verschiebungen im Gesangsbeginn führt
Andere Faktoren, wie Mondlicht, Temperatur, Bewölkung und Hangausrichtung hatten ebenfalls konsistente, jedoch geringere Auswirkungen auf das Gesangsverhalten der sechs Singvogelarten. Der Einfluss von Höhenlage und Datum hingegen schien eher artspezifisch zu sein.
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass verschieden Faktoren das Verhalten von Bergwaldvögeln auf unterschiedliche Weise beeinflussen können und dass anthropogene Faktoren, wie menschlicher Lärm, selbst in einem streng geschützten Gebiet das Verhalten der Vögel verändern kann.
Literatur
Paterno, J (2024) Effects of physical environmental variables on the behaviour of mountain woodland songbirds. PhD-Thesis. University of Basel.
Paterno, J, Korner-Nievergelt, F, Anderwald, P, Amrhein, V (2024) Start of dawn singing as related to physical environmental variables in an alpine environment. Journal of Ornithology (165), 533-544. https://doi.org/10.1007/s10336-023-02134-z
Paterno, J, Korner-Nievergelt, F, Gubler, S, Anderwald, P, Amrhein, V (2024) Alpine songbirds at higher elevations are only raised with a slight delay and therefore under harsher environmental conditions. Ecology and Evolution (14), 1-20. 10.1002/ece3.70049