Ein Beitrag von Fabienne Frey (SCNAT)
10. September 2025

Alpine Wildtiere beobachten, ohne sie zu stören? Eine schwierige Aufgabe. Nun sind vielversprechende Fortschritte im Gange: Forschende der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) haben im Schweizerischen Nationalpark den Datensatz MammAlps entwickelt. Die Innovation ermöglicht, mit Künstlicher Intelligenz (KI) Tiere automatisch zu erkennen und ihr Verhalten zu analysieren – um sie langfristig besser schützen zu können.

Titelbild: Künstliche Intelligenz erkennt Rehe und ihr Verhalten im Nationalpark (© EPFL)

Der Klimawandel und die menschliche Nutzung der Alpen verändern die Lebensräume von Wildtieren. Welche Auswirkungen hat das auf deren Verhalten – etwa bei der Futtersuche oder der Jagd? Ändern sich das Setzverhalten (beispielsweise Orte oder Zeitpunkte des Setzens) oder die Interaktionen zwischen den Tieren? Um diese und weitere Fragen zu beantworten, brauchen wir genaue Informationen über die aktuelle Lebensweise der Tiere.
Mit den gängigen Methoden stossen Forschende an Grenzen: An Tieren befestigte Sensoren haben eine begrenzte Reichweite, direkte Beobachtungen durch den Menschen können Störungen verursachen, Kamerafallen erzeugen gewaltige Datenmengen. Allein im Schweizerischen Nationalpark (SNP) entstehen jährlich über 400’000 Fotos, die eine aufwändige Analyse erfordern. Künstliche Intelligenz verspricht hier Abhilfe, wenn sie es schafft, Tiere und deren Verhalten automatisiert zu bestimmen. Dafür fehlen der KI bisher allerdings detaillierte Datensätze zum Lernen. Eine Herausforderung, der sich der EPFL-Doktorand Valentin Gabeff unter der Leitung der Professoren Alexander Mathis und Devis Tuia gestellt hat.

Forscher Valentin Gabeff bei einer Wildtierkamera

Abb.: Valentin Gabeff installiert eine Wildtierkamera im Schweizerischen Nationalpark. (Foto: Jonathan Sauder, © EPFL)

So entsteht ein neuer Blick auf Tierverhalten

Die Forschenden stellten im SNP über mehrere Wochen neun Kamerafallen auf. Sie stationierten diese so, dass jeweils drei Kameras denselben Ort aus unterschiedlichen Perspektiven aufnahmen. Mit der Hilfe von Künstlicher Intelligenz analysierten die Forschenden die aufgezeichneten Wildtiere wie Rothirsche, Rehe, Füchse und sogar Wölfe und deren Verhaltensweisen. Dabei unterschieden sie übergeordnete Aktivitäten wie Futtersuchen und untergeordnete Aktivitäten wie Gehen oder Schnüffeln. Durch diese Strukturierung können KI-Modelle das erfasste Verhalten besser einordnen. Ausserdem ergänzten die Forschenden die Aufnahmen mit Audiomaterial und Umweltinformationen wie Hinweisen auf Wasserquellen, Felsen oder die Beschreibung der Wetterlage. Daraus entstand MammAlps, ein reichhaltiger Datensatz des Tierverhaltens aus verschiedenen Blickwinkeln.



Video: MammAlps ermöglicht, die Verhaltensweisen von Rehen einzuordnen. (©EPFL)

Perspektiven für den Artenschutz

Das Forschungsteam ist bereits daran, den Datensatz zu erweitern. Mit zusätzlichen Feldarbeiten integriert es kleine Säugetiere und seltenere Arten. Der MammAlps-Datensatz ist frei zugänglich, um die Entwicklung weiterer solcher Datensätze voranzubringen. So können KI-Modelle darauf trainiert werden, aus vielen Stunden Videomaterial heraus Wildtiere und ihre Verhaltensweisen automatisch zu erkennen. Das sind vielversprechende Fortschritte für die Forschung zu Wildtieren – etwa bei der Analyse einzelner Aktivitäten oder klimawandelbedingter Verhaltensänderungen. Von diesem mit Hilfe von KI generierten Wissenszuwachs können insbesondere Naturschutzorganisationen profitieren. Sie könnten Tiere nicht nur effizienter und störungsfreier überwachen, sondern gefährdete Arten auch gezielter schützen.

Weiterführende Informationen

Website des Projekts MammAlps

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