Der Rothirsch ist die grösste Huftierart des Nationalparks. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der stolze Geweihträger in der Region ausgerottet. 50 Jahre später wanderte er von Nord- und Mittelbünden wieder ins Engadin ein.

Im Nationalpark findet der Hirsch zwei Vorteile: Schutz vor menschlicher Störung und ausreichend Nahrung. Vor Störungen schützt ihn das Wegegebot für Wanderer. Die Hirsche gewöhnen sich an die Präsenz der Gäste auf den Wanderwegen und lassen sich deshalb auch tagsüber und während der Brunft gut beobachten. Rund 2000 Hirsche leben während maximal fünf Sommermonaten im Nationalpark. Sie sind bestens an den alpinen Lebensraum angepasst und verbringen den Sommer in Höhenlagen bis fast 3000 m. Nach der Brunft verlassen die meisten Hirsche Mitte Oktober den Park und überwintern an den Sonnenhängen der Haupttäler im Engadin, Münstertal und Vinschgau.

 

Hirschkühe leben meistens in Rudeln mit den Kälbern und den Jungtieren des vergangenen Jahres zusammen.

Diese Rudel heissen auch Kahlwildrudel, weil die meisten Tiere kein Geweih tragen. Die Bindung zwischen den Kühen und ihren weiblichen Nachkommen ist stärker als jene zu den männlichen, die sich nach maximal 2 Jahren vom Kahlwildrudel trennen.

Rothirschstiere leben mit Ausnahme der Brunftzeit in männlichen Rudeln.

Das Geweih der männlichen Tiere dient als Imponier- und Kampforgan. Es besteht aus einem paarigen Knochen, wird alljährlich zwischen März und Juli aufgebaut und gegen Ende des Winters abgeworfen. Hirsche tragen vom zweiten Lebensjahr an bis an ihr Lebensende ein Geweih.
In der Wachstumszeit ist das Geweih von einer stark durchbluteten Haut, dem Bast, überzogen. Dieser wird nach dem Wachstumsende an Sträuchern und Bäumen abgerieben (gefegt). Das Geweih erhält durch Blut- und Erdrückstände seine braune Farbe.

Die Brunft der Rothirsche im September und Oktober ist eine der Hauptattraktionen des Nationalparks.

Während der Brunftzeit tragen die Hirschstiere intensive Rangkämpfe um die Gunst der Kühe aus. Die sogenannten Platzhirsche verteidigen dabei «ihr» Kahlwild mit Entschiedenheit gegen die Angriffe der «Konkurrenz». Bei solchen Kämpfen kann es durchaus verletzte oder in seltenen Fällen auch tote Hirschstiere geben. Gewinner der Ringkämpfe sind meist die Hirsche mit den besten körperlichen Voraussetzungen, nicht unbedingt jene mit dem grössten Geweih.

Nicht selten kommt es vor, dass ein Hirschstier beim Kampf einen Teil seines Geweihs verliert, was ihn gegenüber seinen Konkurrenten benachteiligt.

Die Stiere folgen den brünftigen Kühen, bis diese die Paarung zulassen. Die Kuh akzeptiert auch in paarungsbereitem Zustand nicht jeden Partner, sondern wählt aktiv «ihren» Hirsch aus.

Die Hirschkälber werden Anfang bis Mitte Juni geboren. Kurz nach der Geburt machen die Kälber erste Gehversuche und suchen die Zitzen der Mutter.

Für die Geburt der Jungen trennen sich die Hirschkühe vom Rudel. Störungen wirken sich negativ auf die Geburt aus. Die Kälber wiegen 5 bis 10 Kilogramm und sind vollständig entwickelt. Das Lecken der Mutter ist das erste Verhalten, das eine Kontaktaufnahme mit dem Kalb einleitet.

Das Haarkleid der Kälber hat eine auffällige Jugendfleckung, die der Tarnung dient und im Laufe des Sommers langsam verschwindet. Ein gut verstecktes Kalb ist nicht leicht zu entdecken. Wenn sich die Mutter entfernt, macht das Kalb mit kräftigen Mahnrufen auf sich aufmerksam. Die Kuh erkennt die Stimme ihres eigenen Kalbes. Über die Wangendrüsen bleibt das abgelegte Kalb mit seiner Mutter in Kontakt. Die Drüsen scheiden bei Beunruhigung ein Sekret aus, das von der Mutter wahrgenommen wird.

Wenn Sie mehr über den Rothirsch im Schweizerischen Nationalpark erfahren möchten, empfehlen wir Ihnen das Buch „Der Rothirsch im Schweizerischen Nationalpark und dessen Umgebung“ vom ehemaligen Parkdirektor Heinrich Haller. Dieses Buch ist im Nationalparkzentrum Zernez oder über unseren Shop erhältlich.

 

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